eine poetische Untersuchung von Klang als physikalisches Phänomen
Ausstellung / Lecture-Performance von Els Viaene
Eröffnung mit Performance: 3. Februar 2023 / 20 Uhr* (ausgebucht!)
Performance: 4. Februar 2023 / 20 Uhr* (ausgebucht!)
Ausstellung: 5. – 19. Februar 2023 / 14 – 20 Uhr
Liebig 12 / Liebigstraße 12 / 10247 Berlin / www.liebig12.net
* begrenze Kapazität – kein Nacheinlass zur Performance!
“Why can’t sounds be visible? Would the feedback from ear to eye cause fatal oscillation?”
(Pauline Oliveros)
Was ist Klang? Was ist dieses Phänomen, welches wir weder sehen noch berühren können? Die belgische Künstlerin Els Viaene arbeitet seit über 15 Jahren mit dem Medium Klang – einem Material, welches sich mit Aufnahmegeräten einfangen, digital oder analog formen lässt. In ihren großen, z.T. raumgreifenden Installationen ist das Klangerlebnis Endprodukt. Nach ihrem Wahrnehmung standen aber immer Apparate, Objekte und Technologien im Vordergrund – zwischen ihr und dem Klang. Sie begann zunehmend ihre Arbeitsmethodik zu hinterfragen. Je länger sie mit Klang arbeitete, desto mehr entzog er sich ihr. Wie konnte eine erneute Annäherung gelingen, wie bekommt man ein Material zu fassen, das sich selbst nie sichtbar macht? Diese Fragen waren Ausgangspunkt für eine längeres Forschungsprojekt. Sie untersuchte Klang an seiner Quelle, näherte sich ihm als einem physikalischen Phänomen: einer Schwingung, einer Welle, einer Veränderung des Luftdrucks. Wie aber und womit lässt sich Klang formen, dass er sich als greifbares, sichtbares Medium manifestiert?
Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts begannen die Naturwissenschaften Klang als physikalischen Phänomen zu begreifen, experimentell zu untersuchen und abstrakt zu beschreiben. Der britische Forscher John Tyndall publiziert 1876 eine Sammlung von historischen Experimenten und Untersuchungen, die den Kenntnisstand der damaligen Zeit zusammenfasste und auf eindrucksvolle Weise illustrierte. Sein besonderes Augenmerk lag auf der Übersetzung und Sichtbarmachung des Klangs – der Vermittlung des Phänomens in sogenannten Schauexperimenten. Viele der von ihm erstmalig gesammelt vorgestellten Theorien gelten heute als Grundlage der modernen Akustik. Die Geschichte der Erforschung des Klangs innerhalb der Naturwissenschaften bildete den Ausgangspunkt für die Untersuchungen von Els Viaene. In Zusammenarbeit mit dem Universitätsmuseum Gent (GUM) analysierte und rekonstruierte sie viele dieser historischen Versuchsanordnungen.
Mit dem Material, den Erfahrungen und Erkenntnissen kehrte Els Viaene in ihr Atelier zurück und entwickelte eine Reihe neuer Experimente und Versuchsanordnungen, in denen sie Klang in etwas Sichtbares verwandelt. In einer Mischung aus Ausstellung, Installation und Performance macht sie diese persönliche Forschungen einem Publikum zugänglich. Klänge hinterlassen Spuren auf Oberflächen oder schreiben Lichtfiguren in den dunklen Raum. Sie pulsieren in präzise choreografierten Wolkenformationen und irisieren an Oberflächenschichten von flüchtigen Glyzerinmembranen. Saiten und Stäbe, Pulver und Gasblasen, Spiegel und Laser lassen Klangwellen sichtbar werden. Die besondere Faszination besteht in der vollständig analogen Nachvollziehbarkeit, die aber grade im Zeitalter des Digitalen durch ihre Magie besticht. Els Viaene begibt sich zusammen mit dem Publikum auf eine Reise durch die Geschichte historischer Experimente hin zu ihren eigenen poetischen Übersetzungen und Interpretationen. Diese Ausstellung für die Liebig 12 ist eine Wunderkammer, in der Wissenschaft und Klang aufeinandertreffen und die Begriffe des Sehens und Hörens, der Wahrnehmung dessen, was wir sehen und hören, und deren gegenseitige Beeinflussung verwischen.
Konzept und Realisation: Els Viaene
Kurator: Carsten Stabenow / tunedcity.net
Technische Assistenz: Koen Daems
Video/Electronics: Elias Heuninck
Licht Design: Simon Siegmann
Support: Torsten Oetken
Herzlichen Dank an Ghent University Museum und Roland Carchon, Danny Van de Steene, Dirk Eeckhaut
sowie Allegra Solitude / Liebig12.
Ways of Seeing Sound @ Liebig 12 wurde gefördert durch initiative neue musik berlin e.V. und Flanders State of the Art.
(Abbildungen: Els Viaene, John Tyndall (Illustration aus „Sound, a course of eight lectures“, 1876) Kobie Nel/Lydgalleriet (Ballon)
Die erste Version dieser Ausstellung wurde 2021 in der Lydgalleriet, Bergen/Norwegen gezeigt.